Geschichte
Matthias Graf von Gallas 1584-1647
Matthias Graf von Gallas wurde im Jahre 1584 (andere Quellen geben 1588 an) in Trient geboren. Seine Familie gehörte zu den ältesten und reichsten Familien des Bistums Trient. Die militärische Laufbahn war offenbar durch Familientradition vorgezeichnet. Gallas diente von der Pike auf. Zunächst als Berittener unter dem Grafen Ferdinand Madruzzo, Freiherr von Baufremont, der als lothringischer Obrist die Landmiliz kommandierte. Unter seinem Kommando zog Gallas 1617/18 in den Krieg bei Vercelli gegen Spanien.
Unbekannte Umstände führten dazu, daß Madruzzo das Kommando über sein Regiment zu Gunsten des jungen Gallas abgab. Nach dem Frieden zwischen Spanien und Savoyen wird Gallas Statthalter von della Rocca zu Riva. Meinungsverschiedenheiten mit einem Minister des Erzherzogs von Tirol führen dazu, daß Gallas sein Amt niederlegt und sich dem deutschen Krieg zuwendet. Unter dem General der Liga-Truppen, Graf von Anholt wird er zunächst Obrist-Wachtmeister und bald danach Obrist. Er kämpft in Böhmen und Deutschland und zeichnet sich durch besondere Tapferkeit bei Kämpfen im Bistum Bremen und gegen die Dänen aus. Diese Operationen erweckten die Aufmerksamkeit Wallensteins. Im Detail sind folgende Aktivitäten bekannt: Am 27. Juli 1623 siegt Tilly gegen Christian von Braunschweig. Militärhistorisch wird dieser Sieg aber Gallas zugeschrieben. Im Jahre 1626 vertreibt Gallas mit seinem Corps die Dänen aus der Grafschaft Hoya. Im November 1627 greift er den dänischen General Morgan an, treibt dessen Reiterei in die Sümpfe, nimmt 4.000 von ihnen gefangen und zwingt Morgan zum Rückzug nach Stade. 1628 greift er erneut die Dänen in Ostfriesland erfolgreich an. Damit ist die Aufmerksamkeit von Wallenstein zur rechten Zeit geweckt, denn Gallas will aus nicht ganz geklärten Ursachen das Heer der Liga verlassen.
1629 erhält er von Wallenstein ein Regiment und den Rang eines General-Wachtmeisters der Kavallerie und Infanterie.
Im Sommer des gleichen Jahres zieht Gallas auf Befehl unter Collälto in den Mantuanischen Krieg. Er erobert Goito;
1630 ist er am Fall der Stadt Casale beteiligt, und er schlägt die Venezianer bei Peschiera. Durch diesen Sieg wird der Fall Mantuas eingeleitet. An Stelle des erkrankten Collälto befehligt er gemeinsam mit Aldringer das kaiserliche Heer beim Sturm auf Mantua. Solche gemeinsamen Erfolge schaffen persönliche Beziehungen und Abhängigkeiten, die sich in späteren Zeiten auszahlen sollten.
Nach der Einnahme Mantuas ist nicht nur der Name Gallas am kaiserlichen Hofe bekannt, sondern auch sein privates Vermögen beträchtlich aufgestockt.
(Aldringer fiel dabei z. B. der Schatz des Herzogs von Mantua in die Hände. Dieser konnte noch als Nachlaß die Erben begeistern - und es waren keine geringeren, als Bischöfe.)
Mit gebührendem historischen Abstand betrachtet, muß man Gallas zugestehen, daß dieser Zeitabschnitt sein vielleicht erfolgreichster war. Er war nicht nur militärisch und damit materiell erfolgreich, er zeigte hier auch eine in späteren Lebensabschnitten nicht mehr erkennbare diplomatische Geschicklichkeit. Das ging so weit, daß er 1631 als Bevollmächtigter des Kaisers mit Frankreich den Friedensschluß in Chierasco aushandelte. Zur Sicherung der Friedensbedingungen stellte er sich sogar einige Zeit dem Herzog von Mantua als Geisel.
Seine militärischen Erfolge und sein diplomatisches Geschick waren 1631 Balsam auf die wunde Seele des Kaisers, der kurz vor der Rückkehr Gallas die Kunde von der verlorenen Schlacht Tillys bei Breitenfeld gegen Gustav Adolf erhalten hatte.
Gallas wurde mit entsprechender Aufmerksamkeit vom Kaiser empfangen und zum General-Zeugmeister und Feldmarschall ernannt. In dieser Position half er, die 1632 in Böhmen eingedrungenen Sachsen zurückzudrängen.
In der Zwischenzheit war Wallenstein (nach seiner Absetzung auf dem Regensburger Reichstag) erneut und mit sehr viel mehr Vollmachten zum Oberkommandierenden des kaiserlichen Heeres ernannte worden.
Gallas stellte sich sofort unter Wallensteins Kommando, und beide hatten von nun an ein sehr vertrautes Verhältnis. Diese Gemeinsamkeit erweckt fast den Anschein einer Abhängigkeit Wallensteins von Gallas. Das ist insofern bemerkenswert, als Wallenstein bis dahin den Anschein eines unnahbaren, völlig auf sich selbst fixierten Machtmenschen hinterläßt.
Der Oberbefehlshaber beschließt und entscheidet jetzt nichts ohne Gallas Rat, und er weiht ihn auch wie keinen Zweiten in seine strategischen Pläne und Absichten ein.
Gemeinsam werben sie Truppen an, gemeinsam erobern sie Prag, gemeinsam ziehen sie gegen Gustav Adolf nach Nürnberg. Bei Nürnberg trafen sich die Heere Wallensteins und Maximilians von Bayern.
Durch den Tod Tillys am Lech war die Stelle des Heerführers der Liga frei geworden. Maximilian erbat von Wallenstein Gallas als einstweiligen Nachfolger Tillys. Wallenstein (sicher im Einverständnis mit Gallas) lehnte ab.
Unter Berücksichtigung des Sebstverständnisses eines hohen Offiziers der damaligen Zeit und bei Kenntnis der ausschließlich materiell orientierten und am gesellschaftlichen Aufstieg interessierten Ziele dieser Offizierskaste, ist diese Entscheidung Gallas außerordentlich bemerkenswert. Natürlich kannte Gallas die Probleme, mit denen sich Tilly die letzten Jahre herumschlagen mußte, seine Abhängigkeit von Maximilian bei militärischen Entscheidungen und seine Abhängigkeit von Wallenstein und seinen Ressourcen in allen Fragen der Versorgung und Verpflegung des Heeres. Und natürlich kannte er auch das gespannte persönliche Verhältnis zwischen dem Bayern und dem Friedländer. Trotzdem ist diese Entscheidung bedeutsam im Hinblick auf die Deutung seines späteren Verhaltens gegenüber Wallenstein. Man kann nach dieser Absage an Maximilian nicht mehr nur davon ausgehen, daß sein Vorgehen im Winter 1633/34 ausschließlich materiell motiviert war. Zwischen Gallas und Wallenstein muß sich ein tragisches zwischenmenschliches Mißverständnis entwickelt haben oder eine Situation hat Gallas eine so tiefe persönliche Enttäuschung bereitet, daß Verehrung und Anhänglichkeit in Haß umgeschlagen sind. Anders läßt sich diese gezielte Vernichtung, dieses planmäßige Vorgehen Gallas bis zum Mord an Wallenstein nicht ohne weiteres erklären. Alle Quellen bestätigen übereinstimmend, daß die Persönlichkeit Wallensteins nach der Schlacht bei Lützen eine starke Veränderung erfahren hatte. Er hat danach alle Bindungen zum Heer verloren und sich mit einem neuen (und nicht dem besten) Freundes- und Beraterkreis umgeben. Gallas war an der Schlacht bei Lützen nicht beteiligt, weil er von Wallenstein zur Sicherung des Elbüberganges bei Torgau vorgeschickt wurde. Er sollte eine mögliche Vereinigung der Schweden mit den Sachsen und Lüneburgern verhinden. Vorher, d. h. im Oktober 1632 plünderte er Freiberg und die umliegenden Dörfer bis auf den letzten Taler aus. Das Jahr 1633 hindurch verwüstete Gallas mit Wallenstein Schlesien. Im Oktober 1633 wurde Gallas zum Generalleutnant ernannt, und bereits im November teilte der Kaiser im geheimen dem Gallas und dessen Schwager Aldringer seine Absicht mit, Wallenstein abzusetzen.
Man war sich bei Hofe der Person Gallas offenbar sehr sicher, und man nutzte geschickt die unbefriedigten materiellen und unerfüllten gesellschaftlichen Erwartungen der ausländischen Offiziere aus. Große Beute ließ sich in dem ausgebluteten Land nicht mehr machen, und neben Wallenstein empfand sich jeder militärische Führer als unselbständig und seine Leistungen zu wenig gewürdigt.
Wenn die bedrückende Macht Wallensteins gebrochen werden sollte, mußte man sich - wenn auch nicht offiziell ausgesprochen - darüber im klaren sein, daß eine Absetzung Wallensteins nicht zum Ziel führt. Das Ergebnis der Absetzung 1630 war die ökonomische Stärkung Wallensteins - soviel war bekannt.
Nur der Tod Wallensteins gefährdete die eigene Zukunft nicht und ermöglichte darüber hinaus den Zugriff zu den ungeheuren Reichtümern, die in Friedland, Böhmen und Mecklenburg dem Kaiser verschlossen waren. Hatte der Kaiser erst einmal diese Güter und Gelder, würde er - soweit war man sich gewiß - sein christliches Gewissen mit Belohnungen und Beförderungen beruhigen; die entsprechende Anzahl von Totenmessen würden es zum Schweigen bringen.
Der Betrachter kann davon ausgehen, daß der Tod Wallensteins in den führenden Schichten der Mordclique beschlossene Sache war, denn es war die einzig mögliche Strategie, Wallensteins Macht ein- für allemal zu brechen.
Ein gefangener Wallenstein hätte das Heer gespalten und wäre immer eine latente Bedrohung gewesen. Außerdem waren Angst und Skrupel jedem Beteiligten nachzuweisen.
Gallas und Piccolomini übernahmen die unwürdige Rolle, sich nach außen hin an die Spitze der Verschwörer zu stellen. Sie waren durch die kaiserlichen Sanktionen und Erlasse rechtlich abgesichert: Sie hatten jedoch noch einen weit größeren Vorteil: - sie besaßen Wallensteins und des Kaisers Vertrauen.
In diesem diplomatisch kritischen Zeitraum in dem der Herzog Verbindungen auch ins gegnerische Lager knüpfte, war Wallenstein erstaunlich arglos und informativ gegenüber seinen vermeintlichen Vertrauten. Er legte seine Pläne Gallas offen und damit mittelbar auch Piccolomini. Damit war auch der Hof informiert und zwar in dem Maße und mit den (gefilterten) Informationen, die Gallas und Piccolomini für sinnvoll und zweckmäßig erachteten. Berichte, die weitergeleitet wurden, sind stets mündlich vorgetragen worden. Es gab auch keinen Richterspruch nach Wallensteins Tod - denn der hätte sich auf Beweise stützen müssen.
Schon am 24. Januar erhielt Gallas das kaiserliche Patent, in dem Wallenstein für abgesetzt erklärt und die Truppen angewiesen wurden, nur Gallas Befehlen zu gehorchen. Die Ereignisse Ende Januar/Anfang Februar verdeutlichen die ganze Würdelosigkeit, Heuchelei und Angst, die die Verschwörerclique bis in die höchsten Kreise befallen hatte.
Auf der einen Seite wurde das Absetzungspatent so formuliert, daß es das Bündnis der Treue, das Wallensteins Offiziere in Pilsen unterschrieben haben, in seiner Wirkung nocht verstärkt und ins gewünschte Gegenteil umkehrt: dort hatte Wallenstein darauf bestanden, daß nichts ohne den Rat Gallas zu geschehen habe - ohne die Rolle Gallas zu durchschauen. Wenn man diese Wirkung noch als taktische Meisterleistung anerkennen will, so muß auf der anderen Seite der huldvolle Brief des Kaisers an Wallenstein am 13. Februar (20 Tage nach der Ächtung) als charakterlose unnötige Fehlleistung angesehen werden.
Wie tief die Angst vor Wallensteins Rache bei Fehlschlag des Anschlags gesessen haben muß, zeigt der Versuch Gallas und Piccolominis, den Sohn des Kaisers zum Werkzeug ihrer Pläne zu machen. Mehrfach baten sie den Kaiser, Ferndinand III. als Generalissimus zu ihnen zu senden. Sie selbst waren vorsichtshalber nicht in Eger in Wallensteins Nähe. Für die Tat vor Ort war Butler verantwortlich gemacht worden. Durch sein Versprechen gegenüber Gordon, Wallenstein zu töten oder gefangenzunehmen, hatte er sich selbst in die Zwangslage gebracht. Dieses Versprechen hatte der Beichtvater Butlers, Taaffe, Gordon überbracht, um die Nähe zu Wallenstein nicht mißverständlich zu machen. Nach dem Mord an Wallenstein am 25. Februar 1634 war Gallas der erste, der von Butler informiert wurde. Sofort begab sich Gallas zum Kaiser, um die Belohnung für sich und für Butler einzufordern. Gallas bekam Illows Silber, welches in Prag lagerte, die Wallensteinschen Besitzungen Friedland und Reichenberg. Der Gesamtwert dieser beiden Ländereien betrug 500.000 Gulden.
1636 folgten als Schenkung die Trczkaschen Güter Smircziz und Horczeniowez.
Nach Golo Mann darüber hinaus noch 178.000 Gulden. Außerdem bekam Gallas Kinskys Haus in Prag. Die Organisation eines Mordes hatte sich bezahlt gemacht.
Gallas Karriere und sein materieller Zugewinn hatten ihren Höhepunkt erreicht. Seine Gier im Essen und Trinken nahm ungebremst zu. Auch in den Jahren ab 1634 praßte er oft unter den Blicken seiner hungrigen Soldateska ungeniert.
Der früher dem Kaiser gegenüber geäußerte Wunsch Gallas und Piccolominis, Ferdinand III als Generalissimus einzusetzen, hatte sich 1634 erfüllt. Zumal es auch seit langem der Herzenswunsch des nunmehrigen Königs von Ungarn war; - nur war früher Wallenstein im Wege. Unter Ferdinand nahm Gallas 1634 am Feldzug zur Eroberung Regensburgs teil. Sein Handeln entschied wesentlich die siegreiche Schlacht bei Nördlingen gegen die vereinigten protestantischen Heere.
In der Schlacht bei Nördlingen kulminierte der Ruf und Ruhm Gallas. Der spanische Befehlshaber Leganas äußerte damals, daß selbst die besten Offiziere noch etwas von Gallas lernen können.
In den weiteren Monaten des Jahres 1634 und im Jahre 1635 hatte sich Gallas mit französischen Heeresteilen auseinanderzusetzen. 1634 vertrieb er zunächst die Franzosen vom Unterrhein bis Lothringen, dann den Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar vom Oberrhein. Das Jahr 1635 begann finanziell sehr glücklich für Gallas: der König von Spanien verlieh ihm ein Lehen im Königreich Neapel im Wert von 60.000 Dukaten. Ob dies ein Handgeld für den Mord an Wallenstein war, ist nicht bewiesen.
Gallas eroberte Heidelberg und rückte über den Rhein. Sein Heeresteil war geschwächt, denn Piccolomini war nach den Niederlanden gezogen. Er hatte sich deshalb darauf zu beschränken, den oppositionellen Landgrafen Wilhelm von Hessen-Kassel und dessen kleines Heer zu überwachen. Der Landgraf von Hessen war das wichtigste Verbindungsglied zwischen Bernhard am Rhein und dem Schweden Baner an der Elbe. Trotzdem beschränkte sich Gallas nicht auf die Überwachung. Seine militärischen Attacken machten Herzog Bernhard und den Franzosen sehr zu schaffen. Sie hätten sicher Gallas auch nicht davon abhalten können, nach Frankreich vorzustoßen, wenn sein Heer nicht durch Hunger und Seuchen stark dezimiert worden wäre. Er mußte sich aus dem Inneren Lothringens an den Rhein zurückziehen. Wenn ein Heeresteil schon unter Hunger und Seuchen litt, kann man sich nur noch schwer vorstellen, was die Bevölkerung litt. Als z. B. nach sechsmonatiger Belagerung Ansberg von den Kaiserlichen erobert wurde, fanden sie Soldaten vor, die auf Posten vor Hunger in Ohnmacht gefallen waren. In den letzten drei Monaten hatten die Einwohner sich von Katzen, Ratten und Hunden ernährt. Acht Wochen vor der Übergabe hatten sie Rinderhäute zerschnitten, aufgeweicht und gekocht. Kannibalismus war nachgewiesen.
Trotzdem feierten die Eroberer den Sieg mit einem Bankett bis spät in die Nacht. Die Bewohner lauschten vor den Fenstern.
Ähnlich erging es der Soldateska Gallas in ihrem Winterquartier: während sie hungerten und an Seuchen starben, machte sich Gallas dadurch beliebt, daß er vor ihren Augen und Ohren Freß- und Saufgelage abhielt.
Erst im Sommer 1636 war sein Heereshaufen soweit stabilisiert, daß er in Burgund einfallen konnte. Aber dort wurde er gleich von 3 militärischen Führern abgeblockt: Condé, Bernhard und Turenne und die Nachricht von Baners gewonnener Schlacht bei Wittstock zwangen ihn zum Rückzug. Noch im Sommer stand er dem schwedischen Feldherrn Baner bei Torgau gegenüber. Militärhistoriker bestätigen übereinstimmend, daß Gallas Baner besiegt hätte, wenn er einen halben Tag früher bei Torgau erschienen wäre. Fakt ist aber, daß der alte Fuchs Baner sich einer militärischen Auseinandersetzung entzog. Obwohl ihn Gallas bei Landsberg erneut eingeschlossen hatte, konnte Baner durch eine List abermals seine Verfolger abschütteln. Gallas verfolgte zwar die Schweden, die sich in Richtung Stettin absetzten, konnte sie jedoch nicht mehr stellen. Die Situation gestaltete sich in Gallas Heer zu dieser Zeit so chaotisch, daß er sogar einer von Baner angebotenen Schlacht ausweichen mußte.
Die Ursache dafür lag in der Struktur und personellen Zusammensetzung der Führungsebene. Zu viele ranghohe Offiziere fühlten sich von seinem durch Essen und Trinken verwöhnten Stab angezogen. Nunmehr versuchten sie ihre Profilierung durch sich widersprechende Anordnungen und Befehle zu beweisen. Diese Situation deutete sich schon in der Schlacht bei Nördlingen an, wurde aber dort durch den Oberbefehl Ferdinands III. unterdrückt.
Bei der Verfolgung Baners wurde es für alle offensichtlich.
Pommern und Vorpommern waren durch Kriegszüge so ausgeraubt und ruiniert, daß sich Gallas nach Mecklenburg ins Winterquartier zurückziehen mußte, um Nahrung zu finden.
Das Ansehen Gallas bei Hofe hatte seinen Tiefpunkt erreicht. Es gab Tadel und Mißbilligungen, insbesondere was die verpaßten Siege gegen Baner betraf. - Aber es gab in dieser Zeit keinen Feldherrn, der ihn hätte ersetzen können.
Durch Hunger und Krankheiten war das Heer im Sommer 1638 von 40.000 Mann auf 15.000 Mann dezimiert. Gallas sah sich genötigt, sich bis Dömitz an die Elbe zurückzuziehen. Daß es anderen Heeresteilen nicht besser ging, beweist der Umstand, daß Gallas von seinem stark reduzierten Haufen 8 000 Mann nach Westphalen entsenden mußte. Dort hatte schon im Frühjahr 1638 Bernhard von Weimar den Kaiserlichen bei Rheinfelden eine der empfindlichsten Niederlagen beigebracht. Jetzt im Sommer trat Carl Ludwig von der Pfalz militärisch auf den Plan und Baner bereitete die Vereinigung mit dem Heer Bernhards vor.
Trübe Aussichten also für den Wiener Hof. In dieser Situation bot Kaiser Ferdinand III. alle Mittel auf, um für das neue Jahr ein schlagkräftiges Heer aufzustellen. Geplant waren 40.000 bis 60.000 Mann unter Einbeziehung der kursächsischen und Brandenburger Heere. Dieses neue Heer sollte unter Gallas vereinigt sein, und die Heeresteile sollten Piccolominin, Götz und Hatzfeld kommandieren.
In der Zwischenzeit zog Gallas mit den zerrütteten Resten seines Heeres nach Böhmen und Schlesien in die Winterquartiere.
Die Schweden rückten sofort nach. Hatzfeld und Salis, die sie aufhalten sollten, wurden geschlagen.
Schon im März 1638 standen die Schweden in Sachsen und an den Grenzen Böhmens. Das kursächsische Heer wurde von Baner bei Chemnitz vernichtend geschlagen. Im Mai stand Baner vor Prag. In Prag bereiteten sich Gallas und Schlick auf die Verteidigung vor. Aber beide Heere waren zu sehr militärisch und moralisch heruntergekommen. Das schwedische Heer, das unter Gustav Adolf eine ausgezeichnete Disziplin und Kampfmoral besaß, war durch ständige Rekrutierung nichtschwedischer Söldner und Offiziere zum Schrecken derer geworden, die sie noch nach Breitenfeld als ihre Erlöser gefeiert hatten.
Die Soldaten und ihr Troß hungerten ebenso wie die Kaiserlichen. Die Soldaten tauschten ungestraft ihre Ausrüstung gegen Nahrung. Ganze Regimenter marodierten unkontrolliert in der Umgebung, und der Heerführer konnte sich nicht durchsetzen, denn ihm fehlte das entscheidende Druckmittel: - das Geld.
Unter diesen Umständen mußte Baner auf den entscheidenden Sturm auf Prag verzichten und zog sich nach Brandeis zurück. Er fürchtete außerdem, von Hatzfeld, Bredow und Götz eingeschlossen zu werden. Solche Situationen, in denen der bisher offensive Feldherr das Heft des Handelns aus der Hand gibt, sind normalerweise die Chance für den bis dahin defensiven Gegner. Aber die gegenseitige Eifersucht mit Hatzfeld machte eine abgestimmte Verfolgund Baners unmöglich. Ein großes Mißgeschick für Gallas, denn dieser Umstand ließ einen neuen, mindestens ebenso unfähigen Mann in Erscheinung treten: Erzherzog Leopold Wilhelm, der Bruder des Kaisers. Der 23jährige, zum Priester erzogene Erzherzog stellte sich an die Spitze des Heeres, - gestützt auf das Feldherrentalent Piccolominis, Daß eine derartige Person militärische Führung einfordern konnte, charakterisiert das derzeitige Niveau der Offiziersclique der kaiserlichen Armee. Andererseits reflektiert die Situation auch eine gewisse Pikanterie: In der gleichen Gegend hat Gallas Wallenstein 1634 umbringen lassen, um das Oberkommando einem damaligen kaiserlichen Prinzen und jetzigen Kaiser Ferdinand III zu übergeben. Jetzt wird ihm - ohne daß er erbeten oder gar gewollt war - der Erzherzog vorsetzt.
Wallenstein hätte jetzt gewiß ebenso laut gelacht wie nach der von Tilly verlorenen Schlacht bei Breitenfeld gegen Gustav Adolf.
Gallas legt daraufhin die Feldherrnwürde nieder und geht nach Wien. In Wien tritt er die Stelle eine Präsidenten des Hofkriegsrates an. Somit nimmt er im Kabinett nach dem Kaiser die höchste Entscheidungsebene in Kriegsangelegenheiten ein.
Es ist interessant zu verfolgen, wie sich nun die um ihren Einfluß bangende italienische Generalspartei - allen voran Piccolomini - um Gallas schart und ihn in jeder Weise informiert und berät. Aber er versteht es offenbar auch, die wichtigsten Minister für sich zu gewinnen. Das wird sich in späteren Jahren nochmal als Glücksfall erweisen.
In der Zwischenzeit versuchen die neuen Heerführer vergeblich, die Schweden über die Ostsee zu jagen oder Fakten zu schaffen, die es ermöglichen würden, einen Frieden zu diktieren.
In langen, ermüdenden Feldzügen, die Land und Heere auszehren, werden die Kaiserlichen sogar bei Wolfenbüttel und Breitenfeld geschlagen. Der unfähige Erzherzog tritt verstimmt ab, Piccolomini wird aus den kaiserlichen wieder in die spanischen Dienste entlassen.
Gallas hingegen erhält vom König von Spanien im Februar 1643 die Stadt Lucera bei Neapel, verbunden mit dem Titel eines Fürsten. Kurz darauf beginnt für Gallas wieder der Ernst des Lebens: - ihm wird erneut das Oberkommando des kaiserlichen Heeres übertragen. So, wie die Dinge am kaiserlichen Hof liegen, trifft für die Berufung Gallas das Sprichwort zu "Unter Blinden ist der Einäugige König" - in diesem Fall Heerführer.
Hier muß folgender Hinweis angemerkt werden. Die historische Darstellung Gallas in der Literatur ist sehr widersprüchlich.
C.V. Wedgwood bringt die allgemeine Einschätzung zurückhaltend auf den Punkt, wenn sie schreibt: "Gallas wurde ... von Jahr zu Jahr sorgloser, trunksüchtiger und untüchtiger" Andere Autoren werden ihn schlicht und ergreifend Unfähigkeit vor.
Diese Beurteilung trifft vollinhaltlich auf die Zeit nach der Schlacht bei Nördlingen zu. Aber Ferdinand war auf ihn angewiesen. Trotzdem fragt man sich, warum nach Wallenstein kein neuer Stern am Feldherrnhimmel aufging. Wahrscheinlich weil in diesem Krieg die sittlichen und geistigen Ideale abhanden gekommen waren. Ideale, die Persönlichkeiten, wie Gustab Adolf, Wallenstein, Richelieu u.a. Visionen ermöglichten. Personen, wie Gallas waren geprägt von Zynismus, Verachtung, Verantwortungslosigkeit, Habgier und geistigem Mittelmaß.
Durch den Ausbruch des schwedisch-dänischen Krieges verlagerte sich der Schauplatz der Kriegshandlungen in den Norden Deutschlands. In der Zwischenzeit hatte Torstenson die Nachfolge Baners im Oberbefehl der schwedischen Truppen angetreten. Er zog sich von Mähren aus in Richtung Schleswig-Holstein zurück. Gallas marschierte ihm im Frühjahr 1644 bis Kiel hinterher. Als Torstensen im August den Oberbefehl wegen Krankheit nicht ausüben konnte, eroberte Gallas Kiel. Aber er wurde von den Dänen nur sehr zurückhaltend unterstützt und mußte einer offenen Schlacht ausweichen. So besann er sich der immer beliebter werdenden Feldherrn-Regel in der zweiten Hälfte des Krieges: "ein gutes Winterquartier ist besser als eine gewonnene Schlacht."
Bald darauf wurde in Hamburg eine Münze geprägt, bei der auf der einen Seite die Worte standen: "Was Gallas in Holstein ausgerichtet, das findet man auf der anderen Seite." Drehte man die Münze um, war diese Seite der Münze blank - ohne irgendeine Prägung.
Gallas war nicht in der Lage, die geographischen Gegebenheiten auszunutzen und die Schweden abzuschneiden und zu vernichten. Im Gegenteil: die Schweden konnten sich im bisher relativ geschonten Jütland gut erholen und zogen mit einem erfrischten Heer an Gallas vorbei nach Deutschland. Gallas mußte ihnen folgen und kam nun ständig in Gebiete, die von den Schweden schon vorher geplündert waren. Die Schweden hatten so die Offensive an sich gezogen und drängten Gallas ins Anhaltinische Richtung Magdeburg. Bei Bernburg standen sich beide Heere gegenüber, aber Gallas konnte mit seinem ausgehungerten Heer keine Schlacht wagen und mußte sogar sächsische Hilfe herbeirufen, um nicht selbst vernichtet zu werden.
Im November 1644 war das demoralisierte Heer Gallas in Magdeburg von Tostensen fast völlig eingeschlossen. Um wenigstens seine Reiterei zu retten, schickte er sie auf dem rechten Elbufer Richtung Böhmen. Bei Jüterbog wurden sie vom Feinde gestellt und verloren 3.500 Mann. Der kümmerliche Rest erreichte Böhmen auf Umwegen. Gallas selbst brachte Anfang 1665 kaum 2.000 Mann nach Böhmen zurück; ständig von Torstensen verfolgt und attackiert. Selbst die Schweden spöttelten, daß Gallas "wie er allbereit eine Armee oder zwei dem Kaiser ruiniert, er solches vielleicht noch einmal thun würde." Die Stimmung am Hof war schlecht, die Meinungen über Gallas´ Fähigkeiten katastrophal. Nur der einflußreiche Minister Trautmannsdorff bewahrte ihm vor der totalen Ungnade des Kaisers.
Von der Zeit an wird Gallas´ Name nur im Zusammenhang mit dem des Erzherzogs Leopold Wilhelm genannt. Derselbe, der schon vor Jahren Gallas an der Spitze des Heeres abgelöst hatte, trat jetzt erneut den Oberbefehl an.
Deutlicher kann das Defizit leistungsfähiger Führungspersönlichkeiten nicht dokumentiert werden. Torstensen stand in der Zwischenzeit vor Wien. Gallas und Leopold verteidigten Wien, mußten dann Brünn(?) gegen die Belagerung durch die Schweden unterstützen. Im August stand Torstensen erneut vor Wien; Gallas und der kaiserliche Bruder ließen daraufhin das gesamte rechte Donauufer von Wien bis Linz verschanzen und folgten ihm vorsichtig nach Böhmen als sich der Schwede zurückzog. Ende 1645 legte Gallas sein Amt aus gesundheitlichen Gründen nieder. Aber als Ende 1646 der Erzherzog wenig erfolgreich als Statthalter in die Niederlande zog, war erneut keine Persönlichkeit da, die den Oberbefehl hätte übernehmen können; - außer Gallas. Er zog mit dem Heer von Ingolstadt nach der Oberpfalz, aber seine Tage waren gezählt. Im Januar 1647 traf Melander bei dem Heere ein und übernahm gemeinsam mit Gallas den Oberbefehl. Fieber und (wahrscheinlich Gallen-)Steine zwangen Gallas zurück nach Wien. Er legte seine Ämter nieder und starb am 25. April 1647. Bis zu seinem Lebensende verfolgte ihn der Spott seiner Zeitgenossen, die ihn den "Heerverderber" nannten.
In der Jesuitenkirche in Trient wurde er beigesetzt.
Wahrscheinlich wüßte die Geschichtsschreibung Genaueres über die Hintergründe vom behaupteten Verrat Wallensteins und über seinen Tod, wenn der Inhalt der Briefe bekannt wäre, die Gallas vor seinem Tod vor den Augen der Minister des Kaisers verbrannt hat.
Er verlangte auf dem Sterbebett eine kurze Unterredung mit dem Kaiser, um diese ihm notwendig erscheinende Angelegenheit offenzulegen. Der Kaiser schickte statt dessen seine Minister Schlick, Khevenhüller und Khurtz. Ihnen wollte sich Gallas nicht offenbaren. Er verbrannte daraufhin eigenhändig die Beweismittel.
Quellenangabe: Dr. Klaus Koniarek